Die Mai-Kolumne im Netzwerk Südbaden beschäftigt sich mit dem Thema Wohnen. Hier geht es zur Kolumne.

Der Wohnungsneubau ist ins Stocken geraten. Das für Deutschland von der Politik angestrebte Ziel von mindestens 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr wird in 2023 und 2024 nicht erreicht werden können. Die Situation ist mittlerweile prekär: Wohnraum ist Mangelware. Nicht nur Menschen auf der Flucht müssen zusätzlich unterkommen, es fehlen auch Wohnungen für Fachkräfte aus dem Ausland. Die ganze Branche wurde kalt erwischt. Der explosionsartige Anstieg der Zinsen um das Fünffache innerhalb eines halben Jahres war der „letzte Sargnagel“ für viele Bauträgerprojekte im Großraum Freiburg. Vorher vollzog sich noch ein weiterer „Showstopper“: Die Baukosten für den Wohnungsbau haben sich innerhalb 2022 um über 15% erhöht. Beides zusammen führt dazu, dass die Verbände pro Jahr anstatt der mindestens notwendigen 400.000 nicht einmal mit 250.000 fertig gestellten Wohnungen rechnen. Der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Harte Zeiten für einen Wirtschaftszweig, der zehn gute Jahre hinter sich hat. Ganz unschuldig ist man an der Misere jedoch nicht. Jahrelang trieb man Grundstückspreise in die Höhe und viele Unternehmen haben gemessen an den jetzigen Verhältnissen ihre Baugrundstücke viel zu teuer eingekauft. Durch die höheren Zinsen werden finanzierte Grundstücke im Laufe der Zeit immer teurer und zusammen mit den gestiegenen Baukosten bringt das diese Projekte an die Grenze der Realisierbarkeit. Viele Entscheider in der Branche warten nun einfach ab und setzen auf das Prinzip Hoffnung. So entsteht aber leider kein neuer Wohnraum, der für große Teile der Bevölkerung finanzierbar ist. Es gibt aber auch Lichtblicke, denn die Baukosten bewegen sich aufgrund geringerer Nachfrage im Wohnungsbau bereits leicht abwärts. Die Zinslast drückt aber immer noch und deren Entwicklung ist von der Inflation abhängig. In den nächsten zwei Jahren ist hier keine entscheidende Reduktion zu erwarten. Mittelfristig belastet ein hohes Zinsniveau jedoch die Haushalte der europäischen Staaten. Man kann deswegen davon ausgehen, dass die EZB alle Möglichkeiten nutzen wird, um wieder ein niedrigeres Zinslevel anzusteuern. Das hilft aktuell leider nicht weiter. Krise bedeutet aber auch Chance und es gibt Konzepte, bei denen der finanzielle Overhead deutlich geringer ausfällt als beim Bauträgerkonzept, dies senkt Kosten entscheidend und macht den Wohnungsbau dadurch wieder möglich. Baugruppen sind gerade in Südbaden ein seit langem erprobter Weg, um günstig zu Wohneigentum zu kommen. Die Kommunen sollten dieses Konzept mit der Schaffung von preiswerten Baulandflächen flankieren. Wenn man PKW und Fahrräder nicht in Tiefgaragen unterbringen muss, so ist es auch im Großraum Freiburg noch möglich für rund 4.000 € pro Quadratmeter Wohnraum zu schaffen. Ohne Eigenkapital ist heutzutage eine Finanzierung kaum zu stemmen. Die L-Bank Baden-Württemberg unterstützt junge Familien bei der Eigentumsbildung und ermöglicht durch günstige Zinsen die Finanzierung von Wohneigentum. Das wird aber nicht ausreichen, um die Wohnraumknappheit zu beseitigen. Gerade der Mietwohnungsbau braucht weitere Impulse. Die Erhöhung der Abschreibung von 3 auf 5 % wäre ein vernünftiger Ansatz. Klaus Wehrle, ist Architekt in Gutach, er ist Buchautor und hat mehrfach in Fachzeitschriften publiziert. Sein Schwerpunkt ist das kostenreduzierte und nachhaltige Bauen. Wehrle ist Mitglied in div. Fachkommissionen und war 12 Jahre Mitglied im Landesvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg und dort Vorsitzender der Strategiegruppe Klima-Energie-Nachhaltigkeit.

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